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Spotlight: Verbundprojekt Projekt JET-SAVE - Im Notfall richtig beatmen

In unserer Newsletter-Kategorie „Spotlight“ rücken wir die hochschulübergreifende Verbundforschung am FCMH in den Fokus.

Heute werfen wir unser Spotlight auf "JET-SAVE":

 

Projekttitel: JET-SAVE - Jetbasierte intelligente Technologie für schnelle, sichere und personalisierte Rettungsbeatmung und -beurteilung durch Laienhelfer
KMU-innovativ Verbundprojekt (13GW0709B)

Laufzeit: 01.07.2024 bis 30.06.2027

Beteiligte FCMH-Hochschulen und Ansprechpersonen: Prof. Dr. Michael Scholtes (THM), Prof. Dr. Sabine Tacke (JLU)

Link zum Projekt: https://shorturl.at/tMpDU 

 

Foto (v.l.n.r.): Birgit Samans (THM), Omed Ataiy (THM), Tibor Jung (THM), Fatih Yüksel (Thora Tech GmbH), Oskar Seifert (JLU), Michael Scholtes (THM), Jan Orendt (DRK Mittelhessen), Maike Edelmann (DRK Mittelhessen)

Wir freuen uns, dass uns Prof. Dr. Michael Scholtes (Technische Hochschule Mittelhessen) für ein Interview zum KMU-innovativ Projekt JET-SAVE zur Verfügung stand. 
Gerne lassen wir unsere Leserinnen und Leser nun an unserem Gespräch teilnehmen:

Lieber Prof. Dr. Scholtes, was wollen Sie mit dem Projekt erreichen?

Wir wollen ein Gerät entwickeln, mit dem die Beatmung bei Wiederbelebungen vereinfacht und dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit signifikant erhöht werden soll. Hierbei wird eine neue Beatmungstechnik, die sogenannte Jetventilation eingesetzt, bei der die Beatmung fortlaufend über eine integrierte Atemmaske erfolgt. Die Beatmung erfolgt automatisiert und die wenigen Schritte, die die Ersthelfer durchführen müssen, werden interaktiv angeleitet, wie sie z.B. die Atemmaske aufsetzen oder die zu versorgende Person positionieren müssen, so dass auf Knopfdruck eine automatische Beatmung durchgeführt werden kann. So können auch Laien ohne medizinische Vorkenntnisse die Beatmung sicher, korrekt und individualisiert durchführen. Da die klassische Mund-zu-Mund-Beatmung für Laien oft eine Herausforderung darstellt, verstärkt durch die Angst vor Ansteckung besonders seit der Covid-Pandemie, wollen wir mit unserem Gerät eine einfache und effektive Lösung anbieten. Die Innovation besteht u.a. darin, dass mit einem offenen System gearbeitet wird, so dass die Beatmung nicht, wie sonst üblich, während einer Herzdruckmassage ausgesetzt werden muss sondern laufend weitergeführt werden kann. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit steigen, dass eine Reanimation rechtzeitig begonnen wird, was die Versorgung von Betroffenen und damit deren Überlebenschancen erheblich verbessert. Das Gerät soll analog der automatisierten externen Defibrillatoren eingesetzt werden und an ähnlichen Standorten aufgestellt und so kompakt entwickelt werden, so dass auch trotz der nötigen integrierten Sauerstoffflaschen der Transport durch eine ersthelfende Person gut erfolgen kann.  

Was ist der Vorteil an der Förderlinie KMU-innovativ bzw. wie profitieren Sie von diesem besonderen Förderformat?

Das BMBF fördert mit "KMU-innovativ" industrielle Forschungs- und vorwettbewerbliche Entwicklungsvorhaben der Spitzenforschung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Da die Hersteller derzeit vor großen Herausforderungen stehen, geraten sie zunehmend unter Druck: Weltweit wandeln sich die Gesundheitssysteme und fokussieren stärker als je zuvor auf eine bedarfsorientierte Patientenversorgung. Zudem operieren die Firmen europaweit in einem immer stärker regulierten und kostenintensiven Marktumfeld. Der Prozess der Erforschung und Entwicklung medizintechnischer Lösungen ist damit zunehmend mit höherem Aufwand verbunden. Wir als Hochschule haben über diese Förderlinie die Möglichkeit, Unternehmen auf diesem Weg zu begleiten und wissenschaftlich zu unterstützen. Dadurch steigt die Zahl innovativer Produkte im Markt, die eigene Forschung landet am Ende nicht in der Schublade, sondern auf dem Markt und unterstützt Patientinnen und Patienten.

Wie hat sich Ihr Projektteam gefunden?

Der Fachbereich Gesundheit an der THM ist gut vernetzt, die Partner waren bereits in früheren Projekten zusammen und wurden aufgrund ihrer spezialisierten Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich Medizintechnik und Notfallmedizin zusammengebracht. Die Thora Tech GmbH liefert die technische Expertise in JET-Beatmung und Produktentwicklung, während die akademischen Partner Frau Prof. Dr. Sabine Tacke und Herr Dr. Oskar Seifert von der JLU mittels unterschiedlicher Simulationen die Systemreaktionen untersuchen und relevante Parameter vorhersagen und validieren sollen. Unser Fachbereich Gesundheit trägt zur regulatorischen Konformität sowie der anwenderzentrierten (gebrauchstauglichen) Entwicklung bei, und Jan Orendt sowie Dr. med. Andreas Jerrentrup vom DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH bringen praktische Notfallerfahrung und die Perspektive der Anwendungsszenarien ein.

Diese Kombination aus technologischem Know-how, wissenschaftlicher Forschung und Praxiswissen ermöglicht es dem Projektkonsortium, ein anwenderfreundliches Notfall-Beatmungsgerät zu entwickeln, das technisch fortschrittlich und zugleich leicht anwendbar ist – eine Innovation für die präklinische Notfallversorgung.

Welche Auswirkungen hat das Projekt auf die Forschung und Gesellschaft bzw. wie kann die Gesellschaft von Ihrem Projekt profitieren?

Die Zielgruppen sind medizinische Einrichtungen wie Praxen und Pflegeeinrichtungen, öffentliche Orte, Schulen, Hochschulen, Vereine, Firmen und andere Einrichtungen, die das Gerät als Teil ihrer Notfallausrüstung bereithalten möchten. Dies ist bereits das zweite Projekt, das der Fachbereich Gesundheit der THM zum Thema Jetventilation durchführt. In dem vorherigen Projekt ging es um die Beatmung von Neugeborenen mit dem Mekoniumaspirationssyndrom. Insgesamt sehen wir ein großes Potential in dieser Technologie und bauen daher diesen Forschungsschwerpunkt kontinuierlich aus. Wir sind davon überzeugt, dass der Einsatz der Jetventilationstechnik durch Laien einen erheblichen positiven Einfluss auf die Notfallversorgung haben. In vielen Notfallsituationen ist die Zeit bis zur Beatmung entscheidend. Eine bessere, laienfreundliche Beatmungstechnologie könnte es ermöglichen, dass Ersthelfer effektiver eingreifen, bevor professionelle Rettungskräfte eintreffen. Dadurch würde die Überlebenschance bei Herz-Kreislauf-Stillständen oder Atemstillständen signifikant erhöht. Zudem wird das Risiko von Folgeschäden gesenkt, was für die betroffenen Personen eine höhere Lebensqualität bedeutet und gleichzeitig das Gesundheitssystem entlastet. Dies ist besonders relevant für ländliche Regionen, in denen der Rettungsdienst oft länger braucht, um einzutreffen. Generell wird die Hemmschwelle für die Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen, wie der direkte Mund-zu-Mund Kontakt, sinken.

Worin sehen Sie den besonderen Nutzen in der hochschulübergreifenden Zusammenarbeit? Was ist das Besondere an Ihrem Projektteam, das auch die Wirtschaft einbindet?

Wir verbinden Erfahrungen und Wissen aus unterschiedlichen Bereichen, indem wir komplementäre Expertisen und interdisziplinäre Ansätze genauso einbringen wie den Einbezug von Nachwuchsforschenden und einer internationalen Zusammenarbeit über Partnerhochschulen. Die Zusammenarbeit zwischen Partnerhochschulen und Industriepartnern ist meines Erachtens besonders fruchtbar. Der besondere Nutzen der hochschulübergreifenden Zusammenarbeit in unserem Projekt liegt in den komplementären Expertisen und dem interdisziplinären Ansatz unseres Teams, da die Medizintechnik per Definition eine interdisziplinäre Branche darstellt. Durch die Beteiligung von Experten aus Medizintechnik, Notfallmedizin, Veterinärmedizin (zur Simulation an Tiermodellen, um u.a. physiologische Zusammenhänge zu erforschen) und Regulatorik können wir komplexe Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln angehen und innovative Lösungen entwickeln. Zusätzlich fördern wir Nachwuchsforschende, die ihre aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisse einbringen und wertvolle praktische Erfahrung gewinnen. Die Einbindung unterschiedlicher Disziplinen und Perspektiven stärkt die Innovationskraft und Anwendbarkeit unseres Projekts, um ein benutzerfreundliches Notfall-Beatmungssystem zu schaffen.

                                                                                

Die PIs im JET-SAVE-Konsortium

 
Omed Ataiy Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promovend
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen

 Maike Edelmann

Mitarbeiterin der Betriebsleitung
DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH

Dr. med. Andreas Jerrentrup

Chefarzt Zentrum für Notfallmedizin
Universitätsklinikum Gießen-Marburg
Medizinischer Leiter DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH

Tibor Jung Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promovend
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen
Jan Orendt Betriebsleitung
DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH
Dr. Birgit Samans Projektkoordinatorin
Technische Hochschule Mittelhessen
Prof. Dr. Michael Scholtes

Digitale Medizin mit dem Schwerpunkt Regulatory Affairs
Fachbereich Gesundheit
Technische Hochschule Mittelhessen

Dr. biol. anim. Oskar Seifert

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Fachbereich Veterinärmedizin
Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Sabine Tacke

Chefärztin Anästhesie, Fachtierärztin für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Fachtierärztin für Chirurgie
Fachbereich Veterinärmedizin
Justus-Liebig-Universität Gießen

Fatih Yüksel

Geschäftsführer
Thora Tech GmbH

 

Wir bedanken uns herzlich für das spannende und aufschlussreiche Interview, lieber Prof. Dr. Scholtes, und wünschen Ihnen und dem gesamten Projektteam viel Erfolg!

 

Ihr Projekt im Spotlight?

Wir bieten auch gerne Ihnen den Raum, Ihr Projekt in einem unserer nächsten Newsletter vorzustellen und Ihre Erfolgsgeschichte zu teilen.
Wenden Sie sich hierfür bitte an die FCMH-Geschäftsstellte - wir freuen uns auf Ihr Projekt!