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22. Januar 2025 - 1,6 Millionen Euro für zehn Projekte an Universitäten

Die Von Behring-Röntgen-Stiftung unterstützt medizinische Spitzenforschung in Marburg und Gießen. Maximal drei Jahre haben die Projektleiter Zeit, um ihre ambitionierten Ziele zu verwirklichen.

Krebs, Virusinfektionen und psychische Erkrankungen - das sind einige der bedeutenden medizinischen Herausforderungen, denen sich die aktuellen Forschungsprojekte der Von Behring-Röntgen-Stiftung widmen. Bereits zum 18. Mal fördert die Medizinstiftung innovative Forschungsvorhaben an der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität. Über insgesamt 1,6 Millionen Euro für zehn Projekte können sich die Begünstigten freuen. Bei einer Feierstunde am Stiftungssitz im Marburger Landgrafenschloss überreichte der Stiftungsvorstand die Förderurkunden.

Die Forschungsvorhaben wurden von einem wissenschaftlichen Beirat aus 50 eingereichten Vorschlägen der aktuellen Förderrunde der Von Behring-Röntgen-Stiftung ausgewählt. Maximal drei Jahre haben die Projektleiter Zeit, um ihre ambitionierten Ziele zu verwirklichen.

Ebolavirus-Studie

Das Ebolavirus gehört zu den gefährlichsten Viren, mit einer Sterblichkeitsrate von 40 bis 60 Prozent. Die jüngsten Ausbrüche in afrikanischen Ländern haben eindrucksvoll gezeigt, wie schnell sich Ebolavirus und andere ähnliche Viren (Filoviren) ausbreiten und schwere Epidemien verursachen können, die sowohl soziale als auch wirtschaftliche Schäden anrichten. In ihrem Forschungsprojekt untersucht die Virologin Dr. Nadine Biedenkopf (Marburg), welche Rolle die Methylierung - ein chemischer Prozess - des viralen Nukleoproteins NP bei der Vermehrung des Ebolavirus spielt. Zudem erforscht sie, welche Proteine in den Wirtszellen an diesem Prozess beteiligt sind. Ihr Ziel ist es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die zur Entwicklung von wirksamen Therapien gegen das Virus beitragen können. Das Projekt wird mit 190 200 Euro gefördert.

COPD-Forschung

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gehört weltweit zu den häufigsten Krankheits- und Todesursachen und stellt eine erhebliche sozioökonomische Belastung dar. Sie wird vor allem durch Luftverschmutzung und Zigarettenrauchen ausgelöst. Ein zentrales Merkmal der Erkrankung ist eine starke Entzündungsreaktion in der Lunge, die durch erhöhten oxidativen Stress verstärkt wird. Dr. Cheng-Yu Wu (Gießen) analysiert, wie diese geschwächten antioxidativen Abwehrmechanismen zur Entzündung und zum Fortschreiten der COPD beitragen. In seiner Forschung kombiniert er Grundlagenwissenschaften, präklinische Modelle und klinische Daten, um die Zusammenhänge zwischen oxidativem Stress und Entzündungsprozessen besser zu verstehen. Ziel seiner Arbeit ist es, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die sowohl die Lebensqualität der Patienten verbessern als auch personalisierte Behandlungsstrategien für COPD ermöglichen. Das Projekt wird mit 116 600 Euro gefördert.

Antivirale Immunbarrieren

Viren, die über die Atemwege oder durch Moskitos und Zecken übertragen werden, können schwere Erkrankungen auslösen und Epidemien verursachen. Prof. Janis Müller (Marburg) untersucht, welche Immunbarrieren diese Viren überwinden müssen, um neue Ansätze zur Eindämmung ihrer Ausbreitung zu entwickeln. Im Fokus seines Projekts stehen sogenannte extrazelluläre Vesikel (EVs) - kleine, körpereigene Bläschen, die von Zellen abgeschnürt werden und in Körperflüssigkeiten vorkommen. Diese Vesikel haben antivirale Eigenschaften und können vor Infektionen schützen. Prof. Müller und seine Arbeitsgruppe untersuchen, wie sich die antivirale Wirkung von EVs gegen Viren wie Zika und Gelbfieber zwischen menschlichen Zellen und den Zellen von Moskitos unterscheidet. Zudem wird erforscht, ob und wie EVs Schutz gegen das hochpathogene Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber-Virus bieten können, das sich in Europa ausbreitet, sowie gegen Atemwegsviren wie Influenza und RSV (Respiratorisches Synzytialvirus). Das Projekt wird mit 199 980 Euro gefördert.

Psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen wie Depressionen, bipolare Störungen und Schizophrenie betreffen Millionen von Menschen in Europa. Sie treten häufig erstmalig im jungen Erwachsenenalter auf und verlaufen oft in unvorhersehbaren Episoden, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen können. Das Forschungsprojekt von Dr. Frederike Stein (Marburg) untersucht, welche Faktoren und Mechanismen den Verlauf dieser Erkrankungen beeinflussen. Mithilfe von Daten aus klinischen Untersuchungen, Smartphone-Analysen und bildgebenden Verfahren sollen Krankheitsmuster identifiziert und zukünftig vorhergesagt werden. Langfristig sollen die Ergebnisse dazu beitragen, psychische Erkrankungen früher zu erkennen und gezielter zu behandeln. Dr. Stein erhält 100 000 Euro für die Durchführung ihres Forschungsvorhabens.

Darmanastomosen-Heilung

Bei rund sieben Prozent der Darmoperationen kommt es zu Komplikationen durch schlecht heilende Darmanastomosen (Anastomoseninsuffizienzen). Eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Komplikationen spielen Immunzellen, insbesondere Makrophagen. Während der Mechanismus, wie Makrophagen auf Sauerstoff reagieren, gut erforscht ist, weiß man noch wenig darüber, wie sie auf Kohlenstoffdioxid reagieren und sich daran anpassen. In seinem Projekt will Privatdozent Dr. Moritz Strowitzki (Gießen) untersuchen, ob unterschiedliche Kohlenstoffdioxid- und Sauerstoff-Bedingungen das Gewebe um die Darmanastomosen beeinflussen und ob bestimmte Veränderungen in den Zellen des Darmgewebes Hinweise auf das Risiko von Komplikationen geben können. Hierzu werden Gewebebiopsien von nicht heilenden und gesunden Dickdarmanastomosen untersucht. Dabei kommen moderne Analysemethoden zum Einsatz, die es ermöglichen, das Gewebe auf molekularer Ebene genau zu betrachten und die Ergebnisse mit dem Verlauf der Erkrankung der Patienten zu vergleichen. Das mit 70 450 Euro geförderte Forschungsvorhaben soll neue Erkenntnisse darüber liefern, wie Kohlenstoffdioxid die Funktion von Makrophagen im Gewebe beeinflusst und ob Kohlenstoffdioxid-abhängige Signalwege die Heilung von Darmanastomosen fördern oder behindern.

Parkinson-Behandlung

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine etablierte Behandlungsmethode im fortgeschrittenen Stadium der Parkinson-Krankheit. Dabei werden Elektroden in zentrale Bereiche des Gehirns implantiert, um diese mit elektrischen Impulsen zu stimulieren. Während die THS bei vielen Patienten deutliche Verbesserungen bringt, zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Behandlungsergebnissen. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass diese Variabilität auf die Stimulation unterschiedlicher neuronaler Netzwerke zurückzuführen ist. Dr. Philipp Löhrer (Marburg) will durch die Kombination von Bildgebung und computergestütztem Modellieren jene neuronalen Netzwerke identifizieren, deren Stimulation mit einer Minderung spezifischer neuropsychiatrischer Symptome wie Angst, Depression oder Impulsivität in Verbindung steht. Dies könnte dazu beitragen, die Platzierung und postoperative Einstellung der Stimulation individuell auf das Symptomprofil der Patientinnen und Patienten abzustimmen und so eine personalisierte THS-Therapie zu ermöglichen. Das Projekt wird mit 200 000 Euro unterstützt.

Viroporine und Ionenkanäle

Einige Proteine von Coronaviren, sogenannte Viroporine, beeinflussen Ionenkanäle in Wirtszellen. Ihre genauen Funktionen sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. Um die Auswirkungen von Coronavirus-Infektionen auf Organe besser zu verstehen, ist es wichtig, die Interaktionen zwischen viralen und wirtszellulären Ionenkanälen zu untersuchen. Das Projekt von Dr. Aparna Renigunta und Dr. Vijay Renigunta (beide Marburg) sowie Prof. John Ziebuhr und Dr. Ramakanth Madhugiri (beide Gießen) konzentriert sich auf die Auswirkungen von Viroporinen auf Ionenkanäle in Zellen von Lungen- und Nierengewebe, die bei einer Coronavirus-Infektion beeinträchtigt werden. In ihrem mit 146 647 Euro geförderten Gemeinschaftsprojekt wollen sie herausfinden, wie diese Viren die Ionenkanäle in diesen Geweben beeinflussen. Da etwa 19 Prozent aller von der FDA zugelassenen Medikamente Ionenkanalmodulatoren sind, könnte diese Forschung neue Ansätze für die Behandlung von Coronavirus-Infektionen aufzeigen.

Schizophrenie-Mechanismen

Patienten mit Schizophrenie leiden häufig unter auditorischen Halluzinationen und haben Schwierigkeiten, zwischen eigenen Handlungen und denen anderer zu unterscheiden. In ihrem Kooperationsprojekt möchten Prof. Bianca van Kemenade (Gießen) und Dr. Yifei He (Marburg) die zugrunde liegenden Mechanismen dieser Symptome untersuchen. Hierzu setzen sie eine Kombination aus multivariaten Analysen neuronaler Daten sowie verhaltensbasierten und neuronalen Modellierungsstrategien ein. Das Gemeinschaftsprojekt wird mit 199 288 Euro gefördert.

Kachexie bei Krebs

Etwa 80 Prozent der Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium leiden an Kachexie, einem schweren Gewichtsverlust, bei dem Tumorzellen den Stoffwechsel gesunder Zellen des Patienten verändern. Diese Krebserkrankung beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern verringert auch die Erfolgsaussichten einer Therapie. Jeder vierte Krebspatient stirbt direkt an den Folgen der Kachexie. Trotz dieser enormen Belastung existieren derzeit keine spezifischen Therapiemöglichkeiten. In ihrem Projekt erforscht Dr. Katja Rust (Marburg) mithilfe eines Tumormodells in der Fruchtfliege sowohl die Entstehung von Tumoren als auch die Ursachen der Kachexie. Zusätzlich erforscht sie mögliche therapeutische Ansätze zur Behandlung der Kachexie. Das Forschungsvorhaben wird mit 185 610 Euro unterstützt.

KI in der Tumordiagnostik

Künstliche Intelligenz (KI) hat großes Potenzial, Muster in medizinischen Daten zu erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen. Im ihrem Projekt nutzen Dr. Daniel Amsel (Gießen) und seine Arbeitsgruppe KI, um digitalisierte Tumorbilder von Hirnhauttumoren (Whole Slide Images; WSIs) zu analysieren und in molekulargenetische distinkte, klinisch relevante Subgruppen einzuteilen - etwas, das mit dem Mikroskop nicht möglich ist. Das Projekt basiert auf einem Datensatz von 180 verschiedenen Hirnhauttumoren, die in sieben deutschen Laboren bearbeitet und digitalisiert werden. Mit über 5400 WSIs soll der KI ein »Crashkurs« in Tumordiagnostik gegeben werden. Ein innovativer Teil des Projekts ist der Einsatz eines sogenannten Disentangled Latentspace Autoencoders. Diese Technik ermöglicht es, Störeinflüsse wie Unterschiede zwischen Laboren und Scannern zu ignorieren und sich ausschließlich auf die Tumormorphologie zu konzentrieren. Dadurch werden nicht nur vorhandene Daten standortübergreifend für die klinische Anwendung besser nutzbar, sondern es können auch neue Labor-Scanner-Kombinationen erzeugt werden, was besonders für die Qualitätssicherung und Schulung wichtig ist. Das Projekt wird mit 199 210 Euro gefördert.

 

Links zum Thema

Originalveröffentlichung: https://www.giessener-anzeiger.de/stadt-giessen/millionen-euro-fuer-zehn-projekte-an-universitaeten-93527874.html