20. Juni 2025 - Studie zeigt wie eine ungerade Chromosomenanzahl gerecht zwischen Nachkommen aufteilt werden kann - Die ungewöhnliche Genetik der Wildrose
Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass die Hundsrose dank unterschiedlich großer Zentromere ihre komplizierte Chromosomenvererbung meistert – ein spannender Mechanismus, der auch neue Möglichkeiten für die Züchtung robuster Nutzpflanzen eröffnen könnte.
„Unsere Studie zeigt, dass Unterschiede in der Größe der Zentromere – der zentralen Andockstellen für Chromosomen – eine entscheidende Rolle bei der außergewöhnlichen Chromosomenvererbung dieser Pflanzen spielen“, so Prof. Wissemann. „Diese Ergebnisse könnten langfristig neue Wege für die Entwicklung von Nutzpflanzen eröffnen.“
Hundsrosen haben im Laufe ihrer Evolution eine raffinierte Lösung entwickelt, um ihre ungerade Anzahl an Chromosomen gerecht auf die Nachkommen zu verteilen. Das funktioniert so: Bei der sogenannten Canina-Meiose paaren sich nur zwei der fünf Chromosomensätze der Pflanze regulär und werden über Eizellen und Pollen weitergegeben. Die übrigen drei Sätze bleiben unpaarig, sogenannte Univalente, und werden ausschließlich über die Eizelle weitervererbt – ohne dass sie verändert werden. „Auf diese Weise kombiniert die Pflanze sexuelle mit klonaler Vermehrung“, erläutert Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln, einer der Leiter der Studie. Wie das genau funktioniert, war bislang unklar. Daher wollten die Forschenden unter anderem herausfinden, wie die Hundsrosen ihre unpaarigen Chromosomen gezielt in die Eizelle transportieren.
Sie untersuchten dafür die Genome von drei Hundsrosen-Arten mit fünf Chromosomensätzen bis auf die Ebene der einzelnen Chromosomensätze und ihrer Herkunft. Dabei zeigte sich, dass die univalenten Chromosomen über auffällig große Zentromere mit vielfachen Wiederholungen einer rosen-spezifischen DNA-Sequenz verfügen. Zentromere sind zentrale Chromosomenbereiche, die für die Verteilung des genetischen Materials während der Zellteilung wichtig sind – und somit für die Weitergabe an die nächste Generation. Die Zentromergröße ist offenbar der entscheidende Faktor, um bei asymmetrischen Zellteilungen sicherzustellen, dass bestimmte Chromosomen erhalten bleiben.
„Die gleichzeitige Koexistenz sexueller und klonaler Vermehrung im selben Genom – gesteuert durch Unterschiede in der Zentromerstruktur – ist ein faszinierender biologischer Mechanismus“, sagt Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz, die die Studie mit geleitet hat. Die Entdeckung liefert aber nicht nur neue Einblicke in die faszinierende Welt der Pflanzengenetik, sondern hat auch praktische Bedeutung für die Züchtung: „Viele Kulturpflanzen besitzen mehr als zwei Chromosomensätze. Das macht ihre Fortpflanzung anfällig für Fehler, kann aber auch Vorteile wie höhere Widerstandsfähigkeit mit sich bringen. Ein besseres Verständnis der Hundsrosen-Fortpflanzung könne helfen, diese Vorteile gezielt zu nutzen und die Fruchtbarkeit polyploider Pflanzenarten zu stabilisieren“, so Prof. Ritz. Denn eine ungerade Anzahl an Chromosomensätzen führt bei vielen Pflanzen oft zu Unfruchtbarkeit.
Geleitet wurde die Studie von Dr. André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln, Prof. Dr. Christiane Ritz vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und Dr. Aleš Kovařík vom Institut für Biophysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Publikation
Herklotz, V., Zhang, M., Nascimento, T., Kalfusová, R., Lunerová, J., Fuchs, J., Harpke, D., Huettel, B., Pfordt, U., Wissemann, V., Kovařík, A., Marques, A.; Ritz, C.M.: Bimodal centromeres in pentaploid dogroses shed light on their unique meiosis. Nature (2025)
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09171-z
Profilbereich "Klima- und Klimafolgen"
Prof. Dr. Volker Wissemann ist beteiligter Forschender des Profilbereichs „Klima- und Klimafolgen". Die Erforschung der vielfältigen Aspekte des Nutzungs-, Klima- und Biodiversitätswandels als Folge und Teil des globalen Wandels sind die zentralen Ziele des Campus-Profilbereich „Klima- und Klimafolgen“.
Kontakt
Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Volker Wissemann
AG Spezielle Botanik
Wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens der Justus-Liebig-Universität Gießen
E-Mail: volker.wissemann