15. August 2024 - Stress im Ökosystem: Die Wolken fliegen höher
Abholzung verschärft den Klimawandel in tropischen Bergregenwäldern wie etwa am Kilimandscharo
Die Bergwälder in Afrika stehen durch die zunehmende Entwaldung durch den Menschen deutlich unter Stress. Und der Klimawandel setzt dem noch eins drauf: Wie Marburger
Geograph*innen herausgefunden haben, sind die afrikanischen Bergwälder in den letzten zwei Jahrzehnten um rund 20 Prozent geschrumpft. Dadurch stieg die durchschnittliche
Lufttemperatur, und die umgebenden Wolken liegen über 230 Meter höher. In Bergregionen wie am Kilimandscharo können die Wälder dadurch deutlich weniger Wasser aus den
Wolken „auskämmen“. „Das hat weitreichende Konsequenzen für den Wasserhaushalt und die Biodiversität in Afrika“, kommentiert Dr. Dirk Zeuss vom Fachbereich Geographie der
Philipps-Universität Marburg die Ergebnisse einer Studie mit internationaler Forschungsbeteiligung. Die Forschenden berichten über ihre Untersuchungen im
Fachmagazin „Nature Communications“.
Die tropischen Bergwälder sind einzigartig in ihrer Biodiversität und ihren sogenannten Ökosystemdienstleistungen. Zu letzteren gehört beispielsweise die Produktion von Frischwasser für die Natur und auch den Menschen. Anhand von Satellitendaten hat das Marburger Forschungsteam berechnet, dass in den Jahren 2003 bis 2022 etwa 18 Prozent
des Waldes verloren gingen. Gründe dafür sind unter anderem die kleinbäuerliche Landwirtschaft und der Holzeinschlag. Infolge des Waldverlusts ändern sich auch weitere Umweltbedingungen, fanden die Forschenden durch das Zusammenführen verschiedenster Umweltdatensätze heraus. So stieg die Lufttemperatur um etwa 1,4 Grad Celsius und die
untere Wolkenkante rückte 236 Meter nach oben. „Diese Verschiebung in Temperatur und Wolkenbildung kommt dabei eindeutig nicht durch den eh schon vorhandenen Klimawandel, sondern durch den Verlust der Bergwälder“, interpretiert Dr. Dirk Zeuss die Ergebnisse. „Am Kilimandscharo in Tansania wurden seit 1880 bereits über 50 Prozent der Waldfläche vernichtet“, ergänzt Dr. Andreas Hemp, Ko-Autor der Studie von der Universität Bayreuth, der seit 35 Jahren am Kilimandscharo lebt und forscht.
„Das bedeutet, dass von Menschen gemachte Eingriffe wie das Abholzen den Klimawandel verschärfen“, erläutert der Marburger Forscher Dr. Temesgen Abera. „Wir müssen also sehr viel stärker die Bergwälder in den Blick nehmen und vor Abholzung schützen, da sie Biodiversität, Frischwasserproduktion und viele andere Ökosystemleistungen in den Tropen bedroht.“ Abera ist derzeit Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Uni Marburg.
Zur Publikation trugen Forschungsgruppen unter Marburger Leitung von der Universität in Helsinki, Finnland, dem finnischen Meteorologischen Institut in Helsinki, der Universität Bayreuth, der Universität in Addis Abeba, Äthiopien, der Wuhan-Universität, China, und der North-West-Universität in Südafrika bei.
Originalpressemitteilung als PDF zum Download
Publikation
Temesgen Abera, et al, Nature Communications (2024), DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-51324-7
Weitere Informationen
Dr. Dirk Zeuss ist beteiligter Forschender im Campus-Profilbereichs "Klima und Klimafolgen". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen dort Prozesse im Klimasystem und Strategien der Mitigation und Adaptation im Zuge des Klimawandels. Unter anderem erforschen sie, wie sich die Erderwärmung, Änderungen im hydrologischen Kreislauf (beispielsweise durch Starkniederschläge) und die gestiegene Konzentration von Treibhausgasen auf Pflanzen, Böden, Mikroorganismen, die energetische Nutzung von Biomasse, Tiere, Gesellschaft und Ökonomie auswirken. Sie erforschen, wie sich die Funktionsweise unserer Ökosysteme auf die Ernten sowie die Qualität unserer Nahrungsmittel durch den menschgemachten Klimawandel und Landnutzungswandel ändern. Sie entwickeln Strategien zur Minderung des und Anpassung an den Treibhauseffekt. Hierzu gehören beispielsweise Möglichkeiten der langfristigen Bindung von Kohlenstoff im Boden oder eine verbesserte Nutzung von Wasser und Nährstoffen, ebenso wie die Verbesserung von Straßenbelägen und Abwassersystemen zur Anpassung an Starkniederschläge. Darüber hinaus untersuchen Forscher und Forscherinnen mittels Klimaproxies und Modellen regionale bis kontinentale Klimaschwankungen der letzten Jahrhunderte und deren Auswirkungen auf Gesellschaften, beispielsweise bezüglich der Trinkwasserversorgung. Schließlich tragen sie zur Beantwortung der Frage bei, inwiefern sich Wetter- und Klimaextreme wie Hitzewellen, Starkniederschläge und Dürren in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft ändern und sich dies auf den Menschen und die Wirtschaft auswirkt. Darüber hinaus integrieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Profilbereichs die Klima- und Klimafolgenforschung auch in die Lehre und fungieren somit als Multiplikatoren für das Forschungsthema in Studiengängen unterschiedlichster Disziplinen von der Geographie bis hin zum Umwelt-, Hygiene- oder Sicherheitsingenieurswesen.
Kontakt
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Prof. Dr. Harald Platen
Kompetenzzentrum für Energie- und Umweltsystemtechnik (ZEuUS)
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